Der heutige Impuls lud uns ein, ein Flickengedicht (oder erasure-Gedicht/Cento zu schreiben). Näheres findet ihr hier. Als Vorlage dient „der Schutzengel“ von Rainer Maria Rilke. Ich stelle euch zuerst meine beiden ‚Versuche‘ vor und stelle unten dann das Ausgangsgedicht ein.
Engel kamen
ich in wie ein Grab
und da hobst du mich
wolltest mich
auf deinem Flügelschlage
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Ich erwachte
rief
dein Namen
du bist Traum, Bild, Anfang
deine Schönheit
wie Rosen flammend
in deinem Blick
immer Glanz
Der Schutzengel
Du bist der Vogel, dessen Flügel kamen,
wenn ich erwachte in der Nacht und rief.
Nur mit den Armen rief ich, denn dein Namen
ist wie ein Abgrund, tausend Nächte tief.
Du bist der Schatten, drin ich still entschlief,
und jeden Traum ersinnt in mir dein Samen, –
du bist das Bild, ich aber bin der Rahmen,
der dich ergänzt in glänzendem Relief.
Wie nenn ich dich? Sieh, meine Lippen lahmen.
Du bist der Anfang, der sich groß ergießt,
ich bin das langsame und bange Amen,
das deine Schönheit scheu beschließt.
Du hast mich oft aus dunklem Ruhn gerissen,
wenn mir das Schlafen wie ein Grab erschien
und wie Verlorengehen und Entfliehn, –
da hobst du mich aus Herzensfinsternissen
und wolltest mich auf allen Türmen hissen
wie Scharlachfahnen und wie Draperien.
Du: der von Wundern redet wie vom Wissen
und von den Menschen wie von Melodien
und von den Rosen: von Ereignissen,
die flammend sich in deinem Blick vollziehn, –
du Seliger, wann nennst du einmal Ihn,
aus dessen siebentem und letztem Tage
noch immer Glanz auf deinem Flügelschlage
verloren liegt…
Befiehlst du, dass ich frage?
(Rainer Maria Rilke)