Während meine Neffen in Deutschland Pfingstferien haben, sind die italienischen kids schon alle in Sommerferien; und zwar seit vorletzten Freitag bis- sage und schreibe- Mitte September.
So sah es im Klassenzimmer meiner Tochter aus: fast schon alles aufgeräumt, nur noch die Urkunden (diploma) und die von einigen Müttern selbstgebastelten Doktorhüte (tocchi) müssen noch verteilt werden, im Rahmen einer netten Schulfeier mit muskalischer Unterhaltung (die 5-Klässler haben Lieder, Flötenstücke und Tänze einstudiert)

l’aula della Quinta B
Wehmut kommt auf. 5 Grundschul-Jahre sind vorbei. Jetzt stehen drei Jahre in der Mittelschule an; aber wie kann man sich auf etwas Neues einlassen, wenn erst einmal das Alte verabschiedet werden muss? Meine Tochter fühlte sich wie „ausgeleert“.
Rückblickend kann man sagen, dass diese Zeit für unsere Familie glücklicherweise unproblematisch verlief.
Der erste Schultag ist kein besonderes (Familien-)Ereignis und ich kam mir extrem dumm vor, als ich meine Kinder immer mit einer deutschen Schultüte abholte; aber die Erhaltung machner Traditionen ist mir wichtiger als mein Schamgefühl und ich fand die Blicke der Anderen weniger störend.
In Italien ist das erste Schuljahr wirklich soft und die Inhalte werden noch sehr spielerisch aufgearbeitet. Im Vordergrund steht das Wohl des einzelnen Kindes, seine Integration in die Gruppe und der Aufbau einer guten Klassengemeinschaft. Die Kinder, die Lehrer und die Eltern bauen gewöhnlicherweise schnell einen unkompliziert-herzlichen und guten Kontak auf und alle duzen sich. Die Lehrkräfte werden oft nur maestra bzw. maestro genannt.
So ist die Lernatmosphäre angenehm freundlich. Es werden folgende Fächer gelehrt: Italienisch, Mathematik, Geometrie, Englisch, Geschichte, Erdkunde, Sachkunde, Musik, Sport und Religion. An der Grundschule arbeiten zwei Klassenlehrerinnen, in der Tat sind es ausschliesslich Frauen, zusammen; meistens sind sie gleichzeitig im Klassenzimmer anwesend. Ich glaube, die Pädagogik-Experten sprechen da von „Team-teaching“. Man muss sich das sehr bildlich vorstellen: die zwei Klassenlehrerinnen meiner Tochter, Angela und Paola, traten in den vergangenen Jahren immer im Doppelpack auf, wie amerikanische Polizisten.
Im Unterricht kann es also auch mal sehr bunt, laut und ‚dynamisch‘ zugehen, obwohl, im Vergleich dazu, was ich heutzusage so aus Deutschland mitbekomme, in Italien sehr viel mehr Wert auf gutes Benehmen und Disziplin gelegt wird. (Ob immer alle erzieherischen Ideen und Ziele verwirklicht werden, ist dahin gestellt)
Die meisten Familien wählen eine Schule, die Ganztagsunterricht anbietet, d.h. von Montag bis Freitag, , 8.20 – 16.20 Uhr. Decken sich die Schulzeiten nicht mit den Arbeitszeiten der Eltern, kann das Schulkind die sog. pre- und post-scuola besuchen, ein in der Schule integrierter Betreuungsdienst, der in der Regel ab 7.30 beginnt und bis 17.30 dauert. Eine Schulstunde dauert 60 Minuten, die richtig, lange Pause kommt erst nach dem Mittagsessen (Kantine). Pausenbrote müssen nicht eingepackt werden, denn die Schulküche sorgt in Form von frischen Obst und Mineralwasser vor.
Ich kann mich noch sehr gut an meine eigene Schulzeit und die herrlichen Pausen, bei Wind und Wetter, draussem auf dem Hof, erinnern und bedauere es deshalb sehr, dass die Kinder hier sehr wenig auf den Schulhof gehen dürfen. Im Ausgleich dazu, packen meine kids immer wieder irgendwelches Spielzeug, Bastelmaterial oder Bücher von Zuhause ein. Aber auch im Klassenzimmer selbst gibt’s Kartenspiele, Puzzles etc. So kann’s sein, dass meine andere Tochter (2. Klasse), auf meine Frage: „Na, wie war’s heute?“ mit einem „Okay, die Asia hat ihre neue Barbie mitgebracht und morgen spielen wir Familie.“ antwortet.
In Italien gibt es keine Sonderschulen, so wie man es aus Deutschland kennt. Meine Kinder sind seit Kindergartenzeiten also mit einem etwas anderen Menschenbild aufgewachsen. Kinder mit Handicap werden an der Schule von sog. insegnanti di sostegno, Stützlehrern, betreut und unterrichtet, selbstverständlich im gleichen Klassenzimmer.
Ganztagsunterricht schliesst nicht aus, dass es keine Hausaufgaben gibt. Und hier gehen in der Regel die Eltern auf die Barrikaden, denn nach so einem langen Tag werden Hausaufgaben zum Alptraum. Ab der zweiten Klasse kommen dann auch ‚richtige‘ Noten dazu. In der ersten Klasse werden smileys oder Aufkleber verteilt, aber in den Zeugnissen stehen Noten. Diese liegen im Bereich von 10 -1, wobei 10 die Bestnote ist und alles ab 5 ein ungenügend bedeutet. In den höheren Stufen gibt es die gleichen Noten, aber eine 10 zu ergattern ist echt schwer und eine 6 kann schon Traumnote werden. Preise und Belobigungen kennt man nicht.
Wenn der italienische Staat heutzutage kein Geld hat, so haben die öffentlichen Schulen noch weniger finanzielle Mittel: viele Projekte (Klassenfahrten, Theater, Informatik u.v.m.) sind gestrichen worden und die Familie müssen ordentlich ‚mithelfen‘: die Schüler bringen von zu Hause nicht nur ihren Ranzen mit, sondern auch Klopapier und Seife, Kopierpapier, Servietten/Küchenpapier und Trinkbecher für die Mensa. Extramaterial kann auch aus der Klassenkasse bezahlt werden: neue Batterien für den CD-Player, Klebeband, Tonpapier… Ach ja, ab der sechsten Klasse gehen Schulbüchcher auch auf Kosten der Familien.
An der Grundschule meines Sohnes mussten die Kinder ein Art Uniform tragen. Es handelt sich um eine Art langärmelige Kittelschürze, grembiule, die man einfach über die Alltagskleidung anzieht. Rosa und Weiss für die Mädchen, Schwarz oder Blau für die Jungs. So sehen die Teile aus:

grembiule

grembiule
An Privatschulen sind Uniformen, die an engl. Schulen erinnern, typisch.
Die 5. Klasse kann dann echt stressig werden. Der Notendruck wurde eben stärker. Der Wechsel auf einen neuen Schultyp steht an. Und die Lehrer werden machmal gemein: unangesagte Klassenarbeiten oder Abfragen, auch schon montags in der Früh, sind normal. Offizielle Abschlusstests gibt’s nicht, aber die sog. invalsi- Tests, die man sich wie eine Art PISA-Tests vorstellen kann. In höheren Schulen fliessen diese auch in die Benotung ein.
Nächste Woche gehe ich die Zeugnisse abholen. Da man hier bis zum letzten Schultag durcharbeitet und die Lehrer Noten vergeben können, werden die pagelle erst später ausgegeben. Die sollten von den Eltern abgeholt werden. Seltsamerweise, und dass, obwohl wir im Zeitalter der Privacy und des Datenschutz‘ leben, werden aber die Bescheide über eine erfolgreiche/nicht-erfolreiche Versetzung veröffentlicht: d.h. noch vor Vergabe der Zeugnisse werden Computer-Tabellen mit Klassenangabe und vollem Names der einzelnen Schüler, in Klarsichthüllen verschweisst, an der Eingangstür zur Schule aufgehängt. So kann jedermann vorbeilatschen und die kids ausspionieren. Die Zulassungsnote zur Mittelschulabschlussprüfung meines Sohnes kam über WhatsApp, denn am Montag wurde seine Durchschnittsnote bekannt gegeben, während er lernte und ich arbeitete… und ein ganz Schlauer hat die Liste fotografiert und gepostet.
Über die Mittelschule werde ich dann auch bald berichten…