(endlich mal wieder was zum thema „zweisprachigkeit“)
freudestrahlend kehrte letzte woche mein fast siebzehnjähriger sohn aus der schule zurück:“der cazzaniga habe ich es heute aber gezeigt!“
aha, er hatte deutschunterricht.“und, was war denn los?“
„na ja, ich habe eine wette gewonnen, denn sie hat behauptet, dass scoiattolo, ‚rehkitz‘ bedeuten würde, aber ich habe ihr gesagt, dass es „eichhörnchen“ heisst. und die hat sogar die lezione unterbrochen und hat in ihrem tablet nachgeschaut, dann ist es ganz still geworden und sie meinte nur… tja, ich hab’s besser gewusst. dann hat sie gefragt, wieso ich das so genau wisse, und ich habe nur gemeint, dass ich als kind in den deutschlandferien immer in irgendwelchen tierparks oder im schwarzwald unterwegs war.dann weiss man das sein leben lang!“
hinter dem redeschwall verbarg sich nicht nur der triumph, etwas besser als die prof zu wissen, sondern auch der stolz darauf, zwei sprachen zu beherrschen. der weg dorthin war aber seht steinig.
offen und ehrlich gesagt, kann von ‚beherrschen‘ nicht die rede sein. mein vorhaben, meine drei kinder zweisprachig aufzuziehen, hat nur teilweise funktioniert.
mein sohn, mein erstes kind, kann von allen dreien deutsch am besten:
liegt es daran, dass er während seiner ersten drei lebensjahre seine mutter (damals nicht berufstätig) nur für sich hatte? oder weil er ein neusprachliches gymnasium besucht, an dem er latein, englisch, spanisch und deutsch lernt?
‚die sprache seiner mutter‘ ist aber nicht automatisch seine muttersprache geworden. er definiert sich als italiener. und in italienisch hat er leider auch so seine schwierigkeiten. ich bin nur froh und erleichtert, dass es bei anderen familien, die die zweisprachigkeit praktizieren, auch nicht anders abgeht.
mein sohn war, was die sprachentwicklung anging, recht spät dran und solange er nicht in den kindergarten ging, sprach er „deuliano“, eine bunte mischung aus deutsch und italienisch (grosseltern und babysitter bekamen entsprechende wörterbücher ausgehändigt). diese sprache wurde dann auch noch mit der typischen babysprache eines kindes vermischt (erkläre mir mal einer, wieso er zu keks bzw. biscotto ‚kingi‘ sagte?). der alltag von meinem sohn und mir war recht international, denn ich hatte bzw. habe viele kontakte mit anderen nicht-italienischen frauen/familien und war lange mitglied in einem club für expats, in dem englisch gesprochen wurde.
dann kam der kindergarten. zuerst verstanden die erzieherin und die compagni den kleinen fast gar nicht, aber nach sechs wochen sprach mein sohn nur noch italienisch, auch mit mir und meiner familie.
in der grundschule hatte er anfangs besorgniserregende schwierigkeiten beim lesenlernen und die ersten (auf-)sätze waren versehen mit deutschen und oder falsch geschriebenen wörtern.und auch die stellung der adjektive, der gebrauch der präpositionen und der satzbau waren katastrophal. die lehrerinnen waren besorgt, ob das kind nicht eine lernschwäche hätte. ich ließ ihm zeit, wollte abwarten. aber irgendwann saßen mein mann und ich doch beim psychologen einer beratungsstelle. eine lernschwäche liegt nicht vor, und mit der zeit verschwanden unsere probleme. ich denke, dass sich seine schwierigkeiten u.a. auch auflösten, weil er mit acht/neun jahren eine wichtige, persönliche entscheidung getroffen hatte: eines nachmittages, als wir in der kinderbibliothek in monza waren, las er einen handgeschriebenen zettel vor:“spanische muttersprachlerin erteilt nachhilfeunterricht…“ nach einer kurzen nachdenkpause, kommentierte er :“und ich bin ein italienischer muttersprachler“.
ein stich ins mutterherz! jedoch was sollte ich sagen oder tun? positiv ist, dass es meinen sohn bzw. meine kinder nie störte, dass ich mit ihm weiterhin auf deutsch spreche (sie finden es wohl cool, eine etwas andere mamma zu haben).
eine der grundregeln der zweisprachigen erziehung ist, sich mit dem kind exklusiv auf der ‚zielsprache‘ zu unterhalten. leichter gesagt, als getan. meine kids haben sehr schnell begriffen, dass ich zwar mit ihnen deutsch spreche, aber dass ich auch sehr wohl die ‚andere‘ sprache gut beherrsche. sie hörten und hören mich doch reden – tagtäglich: mit verwandten, freunden und freundinnen, kollegen, mit der supermarktkassiererin, dem bankangestellten, den nachbarn etc. etc. etc. wir leben nun mal in italien. seltsamerweise hat mein sohn meine fehler, die ich in der italienischen sprache mache, abgekupfert. die zwei töchter nicht. hätte ich mich, in der zeit der sprachentwicklung, dumm stellen sollen? so tun, als ob ich nur meine muttersprache könne? geht doch gar nicht, denn mit meinem mann rede ich auf italienisch. er kann recht gut deutsch, aber, ich wiederhole mich, wir leben nun mal hier.
ein anderes hindernis ist die hausaufgabenbetreuung. ich darf zwar meine kinder mit einem ‚mach‘ mal deine hausaufgaben!‘ anraunzen, aber es ist doch klar, dass ich das einmaleins, die italienischen regionen und provinzen, die verben (ob indicativo oder congiuntivo), geschichtsdaten, chemische formeln etc. auf ihrer ’schulsprache‘ abfrage! ihre lehrer würden eine antwort wie ‚ fünf mal fünf ist fünfundzwanzig‘ weder verstehen noch akzeptieren.
ihr müsst euch das so vorstellen: ihr seid unterwegs und trefft auf eine fünfköpfige familie. alle labern wild durcheinander, alle labern italienisch, nur die eine nicht – und die bin ich. mein mann und ich stritten uns, als der sohn klein war über tierlaute oder sirenen. macht der hund nun ‚wauwau‘ oder ‚baubau‘, macht der krankenwagen ‚tatüta-a’oder ‚popi-popi‘?
ab und zu passieren meinem sohn noch lustige versprecher wie ‚polizista‘, ‚deschreibieren‘ oder ‚kaninchenvogel‘; in deutsch ist er klassenbester und in italienisch braucht er halt nachhilfeunterrich. allora, wird schon werden.